Weltmacht China?

Veröffentlichung - 2022 / 10

China war in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem für die Elektronikbranche ein wichtiger und zuverlässiger Partner. Gleichzeitig bestanden große Abhängigkeiten und Ängste vor allem auf mitteleuropäischer Seite. Doch wie steht China aktuell da mit seinen strengen COVID-Auflagen, dem US-Embargo und Ausfuhrrestriktionen? Was passiert mit Taiwan?

Staatspräsident Xi Jinping will China wieder als Volkswirtschaft Nummer eins sehen. Dieser Aufstieg ist aus drei Gründen ins Stocken geraten. Der Privatsektor in China hat zuletzt stark unter dem Linksruck der Wirtschaftspolitik gelitten. Zudem steigen aufgrund des Ukraine-Krieges und der Inflation auch in China die Preise rasant. Und als Folge seiner strikten Null-Covid-Politik haben Lockdowns Lieferketten zerstört und damit den Konsum massiv gedrückt, den Chinas Wirtschaft so dringend braucht.


Chinas Null-Covid-Politik

Chinas hart erarbeiteter Ruf als zuverlässiger Handelspartner und Zulieferer droht allein aufgrund seiner Null-Covid-Politik nachhaltig Schaden zu nehmen. Und das, obwohl sich die Lage im restlichen asiatischen Raum weitestgehend normalisiert hat. Unterdessen setzen lokale Regierungen aus Angst vor Sanktionierung selbst bei kleinsten Ausbrüchen auf strengste Lockdowns und Massentests. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden werden stoisch in Kauf genommen.

Der große Handelskrieg

Wirtschaftsexperten sehen die Anfänge des Handelskonflikts zwischen China und den USA in der wachsenden Sorge um das Handelsbilanz-Defizit der USA und Chinas Handelsbilanz-Überschuss begründet. Hauptkritikpunkt daran war, dass die Volksrepublik diesen Handelsbilanz-Überschuss nach ihrem WTO-Beitritt im Jahr 2001 unlauter erreicht hat. Und zwar indem China Firmen staatlich unterstützt hat, um sich Kostenvorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen, ohne dabei die Regeln der WTO zu beachten, in der es selbst Mitglied ist. Der Konflikt schaukelte sich hoch, bis Donald Trump auf fast alle Importe aus China im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar Strafzölle verhängte und Peking daraufhin ebenfalls mit neuen Zöllen reagierte.

Das zeigt, wie riskant eine geografisch konzentrierte und ausschließlich auf Kosteneffizienz getrimmte Lieferkette ist. Es entstehen Abhängigkeiten, die quasi über Nacht existenzbedrohend für ganze Industriezweige werden können. Denn die globale Arbeitsteilung hat allen voran in China eine enorme geografische Konzentration angenommen. Diese gefährlichen Abhängigkeiten etwa von Lieferanten wichtiger Elektronik-Komponenten aus China führten in den Industrienationen Mitteleuropas zu Engpässen, Verzögerungen und beeinflussten große Teile der industriellen Produktion.

Das Vertrauen in die internationalen Lieferketten war erschüttert. Hatte doch die Kostenoptimierung bislang eine sehr starke Priorität. Im Zuge dessen wurde der Lagerbestand tief gehalten und der Fokus in der gesamten Wertschöpfungskette lag auf Just-in-time-Produktion. Es entstand ein System, das anfälliger gegenüber externen Einflüssen ist und zu höheren finanziellen Risiken führt.

Was uns die Krise lehrt

Die Krise hat offengelegt, dass das Thema Lieferkette für viele Unternehmen eines der wichtigsten überhaupt ist. Die damit verbundenen Risiken sowie die Strategie müssen neu beurteilt und die Lieferkette unter den veränderten Rahmenbedingungen analysiert werden. Die geografische Konzentration sowie die Abhängigkeit von wenigen großen Lieferanten müssen reduziert werden.

Für viele Unternehmen ist das leichter gesagt als getan. Das hat drei Gründe. Erstens gibt es Produkte, für die es weltweit nur sehr wenige Anbieter gibt, was die Optionen für alternative Beschaffungsquellen begrenzt. Das ist bei gewissen seltenen Rohstoffen, aber auch bei verarbeiteten Zwischenprodukten wie Komponenten für Elektrogeräte der Fall. Zweitens beschränkt sich der Beweggrund, im Ausland zu produzieren, nicht immer auf Kostenreduktion. Er liegt oftmals auch in der lokalen Nähe zu potenziellen Absatzmärkten. Letzteres kommt für viele Produkte besonders im bevölkerungs-reichsten Land der Welt China mit der steigenden Kaufkraft seiner aufstrebenden Mittelschicht verstärkt zum Tragen. Drittens muss jede Anpassung der Lieferkette insofern gut durchdacht und geplant sein, als auch Risiken und teils erhebliche Investitionen damit verbunden sind. So kann der Wechsel des Chipproduzenten bis zu einem Jahr Vorlaufzeit beanspruchen.

Am Ende sollten nicht nur kurzfristige Kosteneinsparungen das Ziel sein, sondern der Aufbau einer nachhaltig robusten Lieferantenkette. Das hat mit Transparenz, Zusammenarbeit und Flexibilität zu tun und bedingt nicht zwingend eine Verlagerung ins Inland oder nahe Ausland.

Taiwan-Konflikt – Hoffnung Diplomatie

Taiwan ist ein wichtiger Vorlieferant in globalen Lieferketten, für die deutsche Industrie vor allem in der Elektronik und bei Halbleitern. In nahezu jedem modernen Elektronikprodukt ist ein Bestandteil aus Taiwan verbaut. Der Krieg in der Ukraine hat viele Firmen aufgeschreckt. Angesichts der drohenden Eskalation in Taiwan müssen Unternehmen nun ihre China-Strategie von Grund auf überdenken. Diese Gedanken drehen sich in erster Linie darum, was ein kurzfristiges Wegbrechen des chinesischen Markts für ein Unternehmen bedeuten würde und wie es sich auf die Folgen eines Auseinanderdriftens von USA und China vorbereiten kann. Kurzfristig gibt es keine Ausweichmöglichkeiten, da neue Kunden- und Lieferantenbeziehungen aufzubauen Zeit in Anspruch nimmt.

Die größten Verlierer eines ausgewachsenen Handelskrieges mit China wären in Deutschland die Automobilindustrie, Unternehmen, die Transportausrüstung herstellen und der Maschinenbau. Daher ruft die deutsche Wirtschaft zum Dialog auf. Da Sanktionen massive wirtschaftliche Folgen hätten, sollten diese immer nur das letzte Mittel sein. Der Preis für eine vollständige Entkoppelung von China wäre hoch, besonders für die deutsche Wirtschaft, denn diesen Markt wird man wohl nicht ersetzen können. Daher empfehlen Experten Unternehmen parallel auf Vorleistungen aus anderen Ländern zu setzen.

Wie umgehen mit einem China unter Xi?

Eine völlige Abkopplung von China ist illusorisch. Doch China darf in zentralen Schlüsseltechnologien wie bei Mikrochips und Halbleitern keine globale Dominanz erreichen. Mit Ausnahme strategisch wichtiger Bereiche sollten westliche Unternehmen mit China die bestmögliche wirtschaftliche Kooperation anstreben. Überall, wo es globale öffentliche Güter zu schützen gilt – Klimawandel, Pandemie, Finanzkrise –, müssen wir zusammenhalten. Vor allem Deutschland muss seine zukünftige Beziehung zu China neu definieren. Das betrifft Technologie-, Handels- und Wirtschaftspolitik, aber auch die Menschenrechte. In ihrem Engagement für Menschenrechte dürfen sich liberale Demokratien nie erpressen lassen.


(Inhouse-Text)

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