European Chips Act - Riesige Summen für winzige Bauteile

Veröffentlichung - 2023 / 01

Mehr als zwei Drittel der weltweit verbauten Mikrochips kommen derzeit aus Taiwan, Südkorea, China und Japan. Neben den USA und China setzt auch die EU alles daran, ihren Halbleiter-Markt zu stärken. Summen in Milliardenhöhe sollen in den European Chips Act gepumpt werden, um den Standort Europa zukunftsfähig zu machen. Doch wie sinnvoll ist der Einsatz dieser Subventionen?

Kleiner Schlüssel zu einer großen Zukunft

Sie sind die Zukunft. Mikrochips oder ICs (Integrated Circuits) gelten als Herzstücke der Hightech-Industrie. In elektronischen Produkten unseres Alltags wie Haushaltsgeräten, Computern oder Smartphones, in lebensrettenden medizinischen Apparaten oder Pkw übernehmen sie zentrale Rechen-, Speicher- und Steuerungsfunktionen. Wer die aufwendigen Produktionsprozesse moderner Mikrochips beherrscht, wird bei Zukunftstechnologien die Nase vorn haben. Hier muss die EU einiges aufholen und versucht nun mithilfe des European Chips Act den Anschluss nicht zu verlieren.

Internationale Anstrengungen

Chinas Staatspräsident Xi Jinping versucht seit Jahren mit immensen Investitionen, die Volksrepublik zu einer Spitzentechnologie-Nation umzuformen. Dem setzen die USA ihren „Chips and Science Act“ entgegen. Joe Biden plant, den Ausbau von Fertigungskapazitäten mit 39,0 Milliarden US-Dollar zu fördern. Zusätzliche 13,2 Milliarden US-Dollar sollen in Forschung und Entwicklung fließen. Hinzu kommen massive Steuervergünstigungen für Investitionen im Halbleitersektor. Des Weiteren schlägt der US-Präsident mit „Chip Four“ eine besondere Allianz vor. In deren Rahmen sollen Japan, Südkorea, Taiwan und die USA noch enger in der Halbleiter-Produktion kooperieren. Europa ist bei Bidens Vorschlag nicht mit von der Partie.

Das Ziel des European Chips Act

Für die Europäische Union und ihren „European Chips Act“, auch „Europäisches Chip-Gesetz“, formuliert die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen das Ziel, gemeinsam ein hochklassiges europäisches Chip-Ökosystem samt Produktion zu schaffen. Es soll die eigene Versorgung sichern und externe Abhängigkeiten verringern. Dazu soll die europäische Führungsrolle in Forschung und Technik auf dem Weg hin zu kleineren, leistungsfähigeren und schnelleren Mikrochips gestärkt werden. Konkret sieht der ECA vor, die europäische Produktionskapazität bis zum Jahr 2030 von aktuell 10 auf einen Anteil von 20 Prozent des Weltmarkts zu steigern. Das kommt einer Vervierfachung der derzeitigen Produktion gleich, da Prognosen davon ausgehen, dass sich der Markt innerhalb der nächsten acht Jahre verdoppeln wird.

Das Finanzielle

Der European Chips Act soll öffentliche und private Investitionen in Höhe von mehr als 15 Milliarden Euro bewirken. Nach den Plänen der Europäischen Kommission sind dies zusätzliche Gelder, die die bereits bestehenden Fördermaßnahmen rund um Forschung und Innovation auf dem Gebiet der Halbleitertechnik ergänzen werden. Dazu gehören neben dem IPCEI („Important Project of Common European Interest“) die Programme „Horizont Europa“ sowie „Digitales Europa“. Die 15 Milliarden Euro werden bis zum Jahr 2030 eine avisierte Unterstützung durch die Mitgliedstaaten (rund 30 Milliarden Euro) sowie politikgesteuerte Investitionen im Umfang von insgesamt über 43 Milliarden Euro flankieren. Hinzukommen sollen private Investitionen in ähnlicher Höhe.

Open-Source-Aktivisten fordern Auflagen

Neben Open-Source-Aktivisten machen sich mittlerweile auch Unternehmer und Wissenschaftler dafür stark, die Vergabe öffentlicher Gelder an Bedingungen zu knüpfen. Forscher und Programmierer sollten Entwicklungen weiterverwenden dürfen, die mit Steuergeldern finanziert werden. Dazu gehört für die Aktivisten auch, dass die in der Halbleiter-Industrie weitverbreitete Praxis der Geheimhaltungsvereinbarungen aufgebrochen werden muss. Eine Forderung, die angesichts der angespannten internationalen Wettbewerbssituation und extremer Kosten der großen Player für Forschung und Entwicklung in der Industrie auf wenig Gegenliebe stoßen wird.

Produktionskapazität

Der organische Aufbau von Kapazitäten aus eigener Kraft würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher muss die EU ihre Standorte attraktiv machen. Das funktioniert kurzfristig nur über hohe Subventionen. Man könnte hier einwenden: Warum nicht Steuergelder in die Hand nehmen und beispielsweise in die Infrastruktur, das Bildungssystem oder Kinderbetreuung investieren? Dadurch könnte man langfristig und nachhaltig die Attraktivität einer jeden Region sowie die Leistungsfähigkeit einer ganzen Volkswirtschaft fördern, anstatt das Geld an Investoren zu verteilen.

Doch der gezielte Einsatz von Steuergeldern für Subventionen führender Auftragsfertiger wie TSMC, Samsung oder Intel kommt ebenfalls der Allgemeinheit zugute – wenn auch indirekt. Mittelfristig profitiert der Steuerzahler in Form eines konjunkturellen Aufschwungs etwa durch die Sogwirkung von „Mega-Fabs“ auf die Zulieferer im Umfeld und die Anwenderindustrie als Abnehmer. Die Entstehung neuer Arbeitsplätze in der Region sorgt somit für ein Plus an generellen Steuereinnahmen.

Für die großen Fertiger ist die Standortauswahl einer neuen Chips-Fab mit immensen Investitionen verbunden und somit von großer strategischer Bedeutung. Die Befürchtung ist also unbegründet, ein TSMC könnte nach Erhalt der staatlichen Zuwendungen wieder abwandern. Solch große Fabs mit aufwendigen Reinräumen lassen sich nicht ohne weiteres umsiedeln.

(Inhouse-Text)

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